
Lawinenkatastrophen im Saastal – Geschichte, Wandel und Lehren
Basierend auf einem Originalbericht aus dem Vereinsheft des SAC „Die Alpen“, Ausgabe 1943
Das Saastal ist geprägt von seiner eindrucksvollen Berglandschaft – aber auch von den Gefahren, die mit dieser alpinen Umgebung einhergehen. Besonders verheerend waren in der Vergangenheit immer wieder auftretende Lawinenkatastrophen, die das Leben der Saaser tief geprägt haben. Die Geschichte dieser Naturgewalten zeigt eindrücklich, wie die Bevölkerung mit der ständigen Bedrohung umging, sich anpasste und den Schutz systematisch verbesserte.
Die Katastrophe von 1849 – Ein Wendepunkt

Ach lieber Freund
Halt ein wenig still.
Hier fanden 19 Personen
Ihr Endes Ziel.
Um 11 Uhr in der Nacht
Wurden ihre Seelen
Vor das strenge Gottes Gericht gebracht.
In diesem Hause sicher Zu sein.
Das haben alle geglaubt.
Da hat der Tod durch Die Lawine
Ihr Leben beraubt.
Mensch sei allezeit Bereit.
Denn niemand weiss die
Stund und Zeit.
Wann Gott uns beruft Zur Ewigkeit.
Den 3ten April 1849.
Am 3. April 1849 erschütterte eine der schlimmsten Lawinentragödien das Dorf Saas-Grund. Eine grosse Wildschneelawine zerstörte ein als sicher geltendes Haus, in dem sich 26 Personen in Sicherheit glaubten. 19 Menschen, darunter auch Kinder, verloren ihr Leben – nur sieben überlebten. Dieses Ereignis wurde zum Schlüsselmoment in der Geschichte des Saastals und führte zu einem Umdenken in der Bauweise und Sicherheitskultur der Region.
Chronik der Lawinen im 18. und 19. Jahrhundert
Pfarrer Ruppen dokumentierte zahlreiche Lawinenereignisse aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Besonders zwischen 1724 und 1849 kam es immer wieder zu zerstörerischen Lawinen, bei denen Gebäude, Ställe und wertvolles Vieh verloren gingen. Katastrophenjahre wie 1805, 1817, 1825 oder 1848 zeigen: Die Lawinengefahr war allgegenwärtig.
Lawinengruften – Schutzräume unter der Erde
Eine der bemerkenswertesten Schutzmassnahmen waren die sogenannten Lawinengruften. Diese unterirdischen Gewölbe wurden nach 1849 hinter den obersten Häusern der Hangbebauung in den Fels gebaut. Gemeinschaftlich errichtet, boten sie bei Lawinengefahr einen sicheren Zufluchtsort. Mit einer Tiefe von fünf Metern, einer Breite von vier Metern und einer Höhe von 2,5 Metern waren sie aus massivem Mauerwerk errichtet und unter der Erdoberfläche versteckt. Bis zum Winter 1887/88 waren sie im Einsatz – heute erinnern nur noch wenige Überreste an ihre Existenz.


Anpassung der Bauweise – Lernen von der Natur
Nach den Katastrophen passte sich die Bevölkerung architektonisch der Natur an:
- Häuser wurden stufenförmig am Hang gebaut, mit den Giebelseiten zum Lawinenstrom ausgerichtet.
- Die Gruft im obersten Haus jeder Reihe diente als kollektiver Schutzraum.
- Diese Bauweise prägte das Dorfbild über Jahrzehnte und zeigte ein tiefes Verständnis für die natürlichen Gegebenheiten.
Verbauungen und Schutzsysteme – Ingenieurskunst gegen Naturgewalt
Ab 1889 begann das Zeitalter der systematischen Lawinenverbauung:
- Mauern und Ablenkungsbauten wurden errichtet, um Lawinenströme zu brechen oder umzuleiten.
- Zwischen 1890 und 1901 entstanden hunderte Meter Mauerwerk.
- Mit dem eidgenössischen Forstgesetz von 1876 erhielten die Gemeinden finanzielle Unterstützung für Schutzbauten – das Saastal wurde ein Vorreiter im Lawinenschutz.

Fazit: Vom Überleben zum Schutz – Die Lehren aus der Vergangenheit
Die Geschichte der Lawinen im Saastal ist mehr als nur eine Chronik von Naturkatastrophen – sie ist ein Zeugnis der Widerstandskraft, der Anpassung und der Innovationskraft einer Bergbevölkerung. Die Erinnerung an die Lawinen von 1849 und an die Zeit der Lawinengruften mahnt uns, die Gefahren der Natur ernst zu nehmen – und zugleich stolz auf die Schutzmassnahmen zu sein, die das Saastal heute zu einem sicheren Ort machen.
Quelle:
Bericht nach Unterlagen aus dem Vereinsheft des SAC „Die Alpen“, Ausgabe 1943, ergänzt durch lokale Chroniken und historische Dokumente aus Saas-Grund.
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